Ein weißer Fleck auf der Fontane-Landkarte

Schon als ich die Strecke der Fontanewanderung 1983 (Neuruppin) zwischen Alt Ruppin und Stendenitz ablief ahnte ich, dass verborgen hinter dem links des Weges gelegenen Wald etwas liegt, das Fontane zwar sehr ausführlich beschrieb, für mich jedoch durch weiße Schilder und rot-weiß geringelte Bäume verborgen blieb. Auf der Landkarte war dort nur ein großer weißer Fleck. Es war der Besitz Gentzrode, zu jener Zeit freilich militärisches Sperrgebiet. Nun sind zwar die sowjetischen Streitkräfte schon lange in die Heimat gefahren, jedoch ergab sich für das Kapitel Gentzrode nicht so der dringende Bedarf einer Wanderung, zumal Neuruppin ja schon "abgearbeitet" war.

Doch – wenn überhaupt – musste die Tour 2016 stattfinden. Aus Medienberich­ten war zu entnehmen, dass das Schloss immer mehr zerfällt, und eine Fontanewande­rung nach Gentzrode durchzu­führen, ohne das Schloss (oder zumindest einen Rest davon) zu sehen, ist ja auch nicht gerade lukrativ.

Gentzrode 1915 Also auf nach Gentzrode – doch Moment mal: Jetzt kann man das Gebiet zwar gut belaufen, aber die Verkehrsverbindung ist nicht gerade "kurzstreckenwander­freundlich".

Gentzrode 2015 Meine erste Vorwanderung führte also von Storbeck über Gentzrode nach Neuruppin, denn ich war neugierig, was von dem stattlichen Anwesen noch erhalten ist. Natürlich habe ich nicht bedacht, dass von zwei abzweigenden Wegen nicht immer der bessere auch der richtige ist. So musste ich wieder ein ganzes Stück zurück laufen. Aber egal, ich erreichte Gentzrode und fand, dass das Schloss noch einen sehr ansehnlichen Eindruck machte. Gewiss würde ich es mir nicht kaufen, aber deshalb war ich ja auch nicht hier.

Die beiden langen Strecken bereiteten weniger Probleme. Geeignete Startorte wurden mit den Haltepunkten Walsleben und Netzeband schnell gefunden und abgesehen davon, dass der Verbindungsweg von Netzeband nach Katerbow immer noch nicht existiert und der Bahnübergang des Weges von Darritz nach Kränzlin mit einer dicken Barriere versperrt war, waren alle Wege gut zu beschreiben. Für die 16-km-Strecke kam einzig Storbeck in Frage. Doch hier fährt nur werktags ein Bus hin, und das ist ein Rufbus, von dem selbst das zuständige Kraftverkehrsunternehmen nicht weiß, dass es ein solcher ist – schade, denn unsere Wanderung fand am Samstag statt und da blieb nur ein Taxi – also ein teurer Spaß für unsere ABO-65Plus gewohnten Kurzstreckenwanderer.

Am 21. Mai fanden sich im Langstreckenbereich 15 Teilnehmer am Bahnhof ein, die im Zug so auf die beiden Strecken aufgeteilt wurden, dass die beiden Brandenburg-Tickets auch für alle zur Rückfahrt reichten. Aber in diesem Punkt brauchten wir keine große Überzeugungsarbeit zu leisten und ein Wanderer, der eigentlich 25 km wandern wollte, startete nun für 36 km – man ist ja flexibel! Am Haltepunkt Walsleben stieg ich dann mit meiner Gruppe aus. Für die längere Strecke hatte ich mir wieder Heinz Otto von Rotation ausgeliehen. Er fuhr noch eine Station weiter.

Kirche Storbeck Bei strahlendem Wetter führte ich meine Gruppe über den Heideberg, durch Wahlendorf bis nach Storbeck, wo wir die Schweizer Dorfkirche besichtigen konnten. Dann wanderten wir weiter, und meine Gruppe war nicht davon abzuhalten, sich das Schloss Gentzrode ganz genau anzusehen (wollten sie etwa zusammenlegen und kaufen?). Aber wir hatten ja noch ein Stück Weg vor uns und wanderten weiter bis nach Neuruppin zum Bahnhof Rheinsberger Tor. Und wie wir da so auf unseren Zug warteten kamen die 36-km-Wanderer ans Ziel. Welch eine Überraschung.

Von der dritten Gruppe hörten wir während der ganzen Zeit nichts. Nur in der Kirche von Storbeck sagte man, dass da zwei Leute vorbeigegangen sind. Wir wollten es ja nicht glauben, aber das waren wirklich die Fontanewanderer auf der 16-km-Strecke. Schade eigentlich, an diesem schönen Wandertag und in dieser schönen Gegend hätte ich eigentlich mehr Teilnehmer auf dieser Strecke erwartet, zumal der Verein die Taxifahrt finanziert hat. Auf jeden Fall hat unsere Fontane-Landkarte nun einen weißen Fleck weniger und einen Lückenschluss mehr aufzuweisen.

Egon Poppe