Orte, die Industriegeschichte schrieben

Glocke Industrie und Wandern - passt das zusammen? Wenn Egon eine Wanderung plant, dann wird das auf jeden Fall interessant.

Schon am Bahnhof steht ein Kunstwerk der hiesigen Industrieregion: eine Glocke der Kunst- und Glockengießerei Lauchhammer.

Geblaesemaschine Lauchhammer ist heute eine 88 km² große Stadt mit mehreren Ortsteilen und einigen Eingemeindungen. Nachdem wir die fehlende Gleisüberquerung am Bahnhof umlaufen hatten, kamen wir entlang des Hammergrabens nach Lauchhammer Ost.

Dort gab es früher die Eisengießerei. Heute sind von den einst schönen Gebäuden rund um den Werkhof leider nur noch Ruinen, wenn auch malerische, und die Denkmäler der Gründerin und ihres Nachfahren übrig. Erhalten ist eine Gebläsemaschine, die 1836/37 in Lauch­hammer gegossen wurde und im König­lichen Hüttenwerk Hals­brücke bei Freiberg die Verbrennungs­luft für die Blei­schachtöfen ver­dich­te­te. In den 1920-iger Jahren hat man sie „nach Hause‟ geholt und vor den Werks­eingang gestellt. Die Maschine ist nicht nur in ihrer Funktion ein Meister­werk, sondern in ihrer antikisierten Gestaltung auch ein Kunstwerk.

Vorbei an der ehemaligen Glockengießerei kamen wir erst mal wieder in die Natur. Das ganze Gebiet, in dem wir wanderten, war früher Tagebaugebiet. Noch heute warnen Schilder, den Weg nicht zu verlassen oder einzelne Flächen nicht zu betreten, denn es gibt noch viele Abbruchkanten und sonstige Tücken. Entsprechend zugewachsen und mit umgestürzten Bäumen verstellt sind die Wege. Manches hat auch eine neue Nutzung, z.B. als Übungsgelände eines Motorsportvereins, das wir nach Klettern durch ein Zaunloch am Rand passiert haben. Trotz Kletterei über Bäume und Mückenattacken gönnten wir uns an einem kleinen Teich eine Mittagspause von zehn Minuten!

Bioturm1 Nach Lauchhammer Mitte und einem weiteren Waldstück erreichten wir unser eigentliches Ziel, die Biotürme. Obwohl heute eigentlich geschlossen, hatte Egon eine Führung organisiert.

Bioturm2 Das ganze Gelände war zu DDR-Zeiten die Kokerei mit allen dazugehörigen Einrichtungen: neben der Produktion die Förderbänder für die Rohstoffe, die Verladung der Produkte und die unerlässlichen sozialen Einrichtungen. Einige Relikte sind noch in dem kleinen Museumspark ausgestellt. Einsam in der Landschaft stehen die in sechs Gruppen zu je vier Türmen angeordneten Biotürme. Sie dienten der biologischen Reinigung der Kokereiabwässer. Unsere Führerin gab uns nicht nur einen Einblick in die Technologie, sie erzählte uns auch die Geschichte des Werkes. Wir waren beeindruckt, nicht nur von den Bauwerken, sondern ebenso davon, wie schnell man für ein Problem eine Lösung entwickelte, eine Anlage baute und schließlich ein ganzes Werk mit Siedlung für die Arbeiter errichtete. Schließlich stiegen wir noch die 100 Stufen nach oben. Die Aussichtskanzeln waren eine Herausforderung für Nichtschwindelfreie.

Über das ehemalige Werksgelände marschierten wir Richtung Plessa ab. Nachdem wir den Wald erreicht hatten, waren die Wege wieder sehr naturbelassen und nochmals haben wir den Mücken reichlich Nahrung geboten. Fast ohne Asphalt zu treten erreichten wir pünktlich zur Zugabfahrt den Bahnhof Plessa.

Es war eine interessante Tour in einer Gegend, die sich innerhalb von 30 Jahren von der Industrielandschaft, die für uns nicht zu betreten gewesen wäre, zum Wandergebiet entwickelt hat. Wir bedanken uns bei Egon für den schönen Tag und sind gespannt auf den nächsten Ort der Industriegeschichte.

Ute Poppe